Dienstag, 11. Dezember 2018

Matty und Gigi auf großer Fahrt - Kapitel 1 & 2




1. Das Erwachen


Ganz langsam öffnete sie ein Auge. Dann das zweite. Sie gähnte groß und reckte sich verschlafen. Doch so müde sie selber noch war, nahm ihre Nase schon seltsame Gerüche wahr. Fremd und beißend. Mit einem Mal war Matty hellwach.
'Wo bin ich?' fragte sie sich.
Sie sah sich einen Moment hektisch um. Gitter überall um sie herum: unter ihren Füßen, über ihrem Kopf, zu allen Seiten. Mit einem kleinen Sprung hechtete sie zur Tür. Ihre Hände legten sich um die Gitter, wollten den Haken greifen, der die Tür verschloss. Aussichtsslos.
Sie huschte von einer Seite auf die andere. Es gab keinen Ausweg! Und es gab, und das hatte ihr ihre Nase schon längst verraten, nicht mal etwas zu essen. Durst hatte sie auch. Furchtbaren Durst. Doch nicht mal ein Tröpfchen Wasser war noch in der kleinen Nippeltränke, die fast unter der Käfigdecke angebracht war.
'Was geht hier nur vor?'
Sie war irritiert. Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, war Steve, einer ihrer Geschwister. Er lag, noch fast unbehaart, neben ihr und kam nicht an Mamis Zitze. Sie hatte ihn zu sich gezogen, damit er Mamis Milch hatte trinken können. Kurz darauf war ihr Schwarz vor Augen geworden.
Matty rollte sich in einer Ecke zusammen, den Schwanz fest um sich legend. Sie machte sich ganz klein und schloss die Augen. Wie war sie nur hierher gekommen? Sie versuchte mit aller Kraft, sich daran zu erinnern.
Es dauerte eine Weile, doch nach und nach sah sie Bilder vor ihrem inneren Auge. Da war ein Geruch gewesen, den sie damals noch nicht gekannt hatte.
Ihre Mami hatte gesagt: "Das ist ein Mensch. Ein Mensch ist das, was uns Futter und Wasser gibt, und manchmal haben sie uns sehr lieb. Manchmal auch nicht."
Dieses "Mensch", das so unbekannt war und neu, hatte einen stechenden Geruch an sich und machte ihr Angst.
"Lebe wohl, meine Kleine! Möge es dir gut ergehen!" hörte sie ihre Mami noch zum Abschied rufen.
Matty erinnerte sich an ihren traurigen Blick. Es war, als wüsste sie schon, was ihr kleines Mädchen erwartete, doch sie war machtlos, dies zu verhindern.
Matty zog ihren Schwanz noch enger um sich und war unendlich traurig. Sie würde ihre Mami nie wiedersehen, das wusste sie jetzt. Das war es, was Mami ihr hatte sagen wollen. Die Angst wurde größer, und sie versuchte das schreckliche Gefühl in den Griff zu bekommen, indem sie sich darauf konzentrierte, was danach geschehen war.
Das Mensch hatte sie in eine dunkle Box gesteckt. Es roch nach etwas, das das Mensch von Mami ihr manchmal in den Käfig gelegt hatte. Feucht und frisch. Salat? Aber hier war kein Salat. Hier war gar nichts. Und die Wände zu allen Seiten waren kaum hoch genug, das sie sich aufrecht hinstellen konnte, ohne mit ihrer Nase dagegenzustoßen.
Nach einer irren Rüttelei, in der sie in der winzigen Box hin- und herschlitterte, ohne je Halt finden zu können, wurde es plötzlich gleißend hell. Dann wurde sie - jetzt erinnerte sie sich wieder! - in diesen Käfig geschmissen. Kurz darauf bekam sie etwas zu fressen. Es schmeckte nach nichts, außer bitter und nach etwas, das sie nie wieder essen wollte. Das Mensch, das sie hierher gebracht hatte, kam jeden Tag einige Male zu ihr und piekste sie ganz schlimm. Manchmal war der Schmerz so unerträglich, das sie schreien musste, doch kurz darauf schlief sie immer ein. Wenn sie aufwachte, konnte sie sich an nichts erinnern. Und sie - ja! - brauchte immer einige Zeit, um wieder zu wissen, was geschehen war.
Sie ruckte auf und putzte sich nervös die Nase, die Augen und die Ohren. Also war sie schon länger hier als erst gestern!
'Natürlich!' mahnte sie sich in Gedanken selber. Denn wenn ihr Brüderchen damals, als sie von Mami und ihren Geschwistern weggeholt worden war, noch kaum Haare hatte, dann hatte sie damals doch auch keine gehabt! Und jetzt... sie wandte sich nach allen Seiten um sich selber, griff nach ihrem Schwanz, griff nach ihrem Po, besah sich rundum... also jetzt hatte sie ein schönes, naturbraunes Fell! Sie wusste von ihrer Mami, das das nicht einfach so von jetzt auf gleich wuchs, nein, es bedurfte schon einiger Zeit, damit der Pelz richtig schön wurde. Nur hatte ihr Pelz einige Löcher, kahle Stellen hier und da.
Matty verharrte einen Moment. Sie hörte etwas. Ein Klimpern. Sie kannte dieses Geräusch. Das Mensch kam her, und es brachte bestimmt Futter mit! Und Wasser!
"Endlich!" seufzte sie.



2. Flucht aus dem Hinterhof

Das Mensch trat an Mattys Käfig heran.
"Na, die ist hin," hörte Matty die brummende Stimme von Mensch.
Und dann, mit einem heftigen Schleudern, wurde der ganze Käfig hochgehoben. Sie wurde hin- und hergerüttelt, schlingerte umher ohne jede Chance, sich festhalten zu können. Mit aller Not versuchte sie immer wieder, einen der Gitterstäbe zu umklammern, doch es nutzte nichts. Die Kraft, mit der ihr Käfig bewegt wurde, war zu enorm.
Dann strömten neue Gerüche mit aller Macht auf sie ein: ihre Nase wollte kaum stillstehen, so ungewohnt roch plötzlich alles. Kalt und seltsam feucht, nass geradezu, sehr süß und widerlich. Und dann - in einem wilden, unhaltbaren Flug - wurde ihr ganzer Körper von einem schmerzhaften Schlag getroffen, während ihr Käfig zum Stillstand kam.
Panik machte sich in Matty breit. Sie brauchte einige Sekunden, um sich aufzurappeln. Alles tat ihr weh, sogar die Schnurrhaare! Die Nervosität gestattete ihr keinen klaren Gedanken, und sie putzte sich automatisch, besah, ob noch alles  an ihr dran war.
"Nase - da!" sagte sie. "Augen - da!" Wie eine Checkliste fuhr sie fort:
"Ohren - da! Hände - klar - da! Ich putze mich damit! Füße - da! Schwanz - da! Fell - da! Po - da! Rücken - da! Kopf - da! Schnurrhaare - da!"
Sie seufzte erleichtert, auch wenn alles so weh tat.
Nachdem Matty sich ein wenig gefasst hatte, was ihr unter diesen Umständen so gar nicht leicht fiel, schnupperte sie umher. Alles versank in Dunkelheit, und nur auf ihr Näschen konnte sie sich verlassen. Sie nahm diesen süßlichen, seltsam unbekannten Geruch extrem wahr, und es drehte ihr den Magen um. Es roch wie... sie suchte nach einem Wort, doch konnte keins finden. Es roch wie... als Mamis Mensch damals was gekocht hatte, da hatte es ähnlich gerochen. Wie nacktes Fleisch, süß und faulig.
Dann merkte sie auf.
"Hallo?" hörte sie eine leise, verzweifelte Stimme. "Hallo? Ist jemand da?"
"Ja!" rief Matty. "Ich bin hier!"
Matty stellte sich auf die Beine und schnupperte in alle Richtungen, der Stimme folgend, die leise und ängstlich sagte:
"Kannst du mir helfen? Ich hab' solche Angst!"
"Ich werde es versuchen!" rief Matty zurück und vergaß all ihre Furcht.
Sie kletterte an allen Ecken ihres Käfigs hoch und fand die Tür, die sie vorhin noch erfolglos zu öffnen versucht hatte, unverschlossen vor. Durch den Schwung, mit dem das Mensch sie auf diesen Haufen voller kleiner Käfige geschleudert hatte, musste sich der Haken gelöst haben. Matty sprang aus ihrem umgitterten Gefängnis und rannte hinaus.
"Sag' etwas!" rief sie leise. "Ich folge deiner Stimme!"
"Ich bin hier!" antwortete das verängstigte Stimmchen. "Hier!"
Matty brauchte nicht lange und hatte den Käfig gefunden. Solch ein Wesen hatte sie noch nie zuvor gesehen! Es war viel größer als sie, bestimmt zehn Mal so groß, viel pummeliger, hatte flauschiges Fell und lange, hängende Ohren. Aber die Vorderzähne, die Matty da sehen konnte, waren auch lang. Für eine Sekunde lächelte Matty, denn die Kreatur schien ihr auf Anhieb vertraut.
Mit ein wenig Mühe bewegte Matty den Haken, der die Käfigtür verlossen hielt. Dieser Käfig war natürlich um einiges größer, und es kostete sie viel Kraft, doch sie wollte dem furcherfüllten Wesen unbedingt helfen und entwickelte eine ihr selbst ungeahnte Stärke. Der Haken schnappte auf, und die Tür öffnete sich.
"Komm!" sagte Matty. "Schnell weg hier!"
Doch das Wesen hüpfte nur mit einem Sprung aus dem Käfig und verharrte unbeweglich. Die Nase bewegte sich unaufhörlich, und die Ohren drehten sich in alle Richtungen. Es lauschte, es schnupperte.
"Komm!" stupste Matty die flauschige Kreatur mit der Nase an. "Folge mir!"
Es dauerte einen Moment, bis sich das Geschöpf in Bewegung setzte, und auch nur langsam. Ein Hopser nach dem anderen, sehr verunsichert und voller Angst.
"Angst kannst du nachher noch haben," flüsterte Matty, "wir müssen nur schnell weg hier!"
"Ja. Ist gut." Das Wesen nickte ganz leicht und hoppelte ihr hinterher.
Weg von dem Hinterhof mit all den aufgetürmten Käfigen, in denen bewegungslose Kreaturen lagen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Danke für deinen Kommentar! 💖 Thanks for commenting!

Nähere Informationen, welche Daten bei Kommentaren übermittelt werden entnehme bitte unserer ➤ Datenschutzerklärung.

❤ makieren, kopieren und in Kommentar einfügen! ❤

💗💕💞💖💘💙💚🧡💛💝💟🙂😉😊😌😍😘😉😊😌😃😄😆😁😂😛😜😇😈😎😔😢😶😑😒🙄😨😭😲😫😵💋👅🧠👌👍👏🙌💪👉🐇🐷🐸🐀🐦🐴🍌🍭🍦🍯🍰🍒🍑🍈🍩🍪🌰🌶🍳🍟💐🌹🌵🍸🍻🎉🌟✨🔥🌈🏳️‍🌈💌💣👀❗❓📌